Fortsetzung zu: Der Franz-Effekt

Ich habe die Ortstafel erreicht. Mit jedem Schritt, den ich weitergehe, verliere ich an Gewicht. Ich schnuppere in die Luft, die nach Kuhmist und Sommer riecht. Zwinkere in die Sonne, die mir gleißend entgegenlacht. Autos fahren vorbei, deren Kennzeichen mir eine Zeitlang vertraut sind. Darin Fahrer, die an mir vorbeiziehen wie Filmstreifen. Bald bin ich so weit vom Dorf entfernt, dass mir die Fahrzeuge fremd werden. Nichts als Staub und entferntes Motorengeräusch hinterlassen. Rechts und links Felder, Wiesen. Braun verbranntes Gras, weil der Sommer heuer keine Gnade kennt. Weniger Häuser. Ich gehe weiter am Straßenrand entlang, die Kieselsteine knirschen unter meinen Füßen. Durst klettert meine Kehle hinauf. Mein Mundinneres eine trockene Höhle. Das Schlucken schmerzt. Ich halte Aussicht nach waldigen Abschnitten, biege von der Straße ab, über den Acker, Richtung Anhöhe, zu den Tannen, die mir aus der Ferne dunkel und saftig mit ihren Zweigen entgegenwinken. Ich spüre, wie die Hitze ein wenig nachlässt, die Luft feuchter, atembarer wird. Ich kann den Wald und die darin versteckten Quellen und Bächlein schon schmecken, riechen. Mir wird die Zunge feucht, ich wandere in den Wald hinein. Erst Tannen, dann Buchen, Eichen, Birken. Ich streiche mit den Händen Zweige und Blattwerk aus dem Gesicht, lausche. Höre es zart plätschern. Gehe dem Geräusch nach, beschleunige meinen Schritt. Merke, dass meine Druckstellen offene Blasen sind. Das Plätschern wird zu einem kräftigen Rauschen. Ich stehe vor einem Wasserfall, der sich mit voller Wucht in die Tiefe wirft, schäumt, flach abfällt und schließlich ohne Aufruhr hinunter ins Tal fließt. Ich lache. Der Wasserfall verschluckt meine Stimme. Ein Stück weiter unten setze ich mich auf den Boden, ziehe meine Schuhe, meine Strümpfe aus. Taste mich an das ruhige Gewässer heran, stecke meine Zehen hinein. Stelle mich mit beiden Füßen ins kalte Nass, bücke mich und forme meine Hände zu einer Schale, die Wasser auffängt. Ich trinke und schließe meine Augen. Denke an Franz, wie er damals aus dem Dorf wegging. Die Hand zum Abschied in die Luft geworfen, leicht wie ein Flügelschlag im Himmel.
Ob sie mich schon suchen?