Ich dachte an das Kind in meinem Bauch, das mich einmal traurig, ein anderes Mal glücklich machte. Der Schock über die unerwartete Schwangerschaft war bald einer Euphorie gewichen. Ich würde es schaffen, das Kind allein großzuziehen und zugleich Partnerin zu werden. Von Ehrgeiz getrieben hatte ich mir geschworen, bereits während meiner Karenzzeit mit der Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung zu beginnen.
Das Baby würde Juls Platz einnehmen und mich emotional bedingungslos erfüllen.
Nur manchmal, meist abends, überkam mich ein dunkles Gefühl von Trauer. Der Wunsch, meine Empfindungen mit Jul teilen zu können, seine Hand auf meinen Bauch zu legen. Ich hatte Sehnsucht nach ihm, seinem Gesicht, immer nahe an meinem, wenn wir zusammen waren. Ich vermisste seine leise Stimme, beinahe ein Flüstern. Die Art, wie er mich festhielt. Von mir, von uns Besitz ergriff.
D riss mich aus meinen Gedanken. „Gibt es abseits deiner Notizen noch etwas zum Akt zu sagen?“
„Nein.“
„Gut, danke. Hast du Pläne für heute Abend?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Was hältst du davon, wenn wir was trinken gehen?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Wieso nicht …“, meinte ich.
D wollte ins Alt Wien. Ich zögerte, denn das letzte Mal war ich mit Jul hier gewesen.
Aber D hatte die fixe Vorstellung von Gulasch und Bier im Alt Wien und ließ sich davon nicht abbringen.
Noch bevor das Essen serviert wurde, war Ds erstes Bier bereits ausgetrunken. Er bestellte ein zweites.
„Langweilig wird es ohne dich …“, fing er an. „Was wirst du jetzt anstellen mit der ganzen Freizeit?“
„Weiß nicht. Unterlagen besorgen für die Anwaltsprüfung … ein wenig ausruhen. Mich einlesen in die Geburtsthematik. Ich mach‘ noch so einen Kurs.“
„Kommt der Junkie mit?“, fragte D.
„Nein. Warum sollte er? Es ist vorbei.“
„Immerhin ist er der Vater …“
„Er weiß es aber nicht!“, stieß ich hervor.
D nahm einen langen Schluck von seinem Bier. „Nicht dein Ernst, oder?“
Ich begann zu heulen.
D umarmte mich. Ich legte meinen Kopf an seine Schulter und schluchzte in sein Hemd. Roch das Bier aus seinem Mund. Spürte seine Bartstoppeln an meinen Wangen kratzen. Ds Aftershave kroch in meine Nase. Es war zu süß, zu intensiv. Er fuhr mir durch die Haare, küsste mich auf die Wange. Ds Hand auf meinem Oberschenkel. Zwischen meinen Oberschenkeln. Mein Handy am Tisch piepte. Ich schielte auf die spiegelnde Fläche.
Dann schrie ich D an: „Spinnst du!“
Er zuckte zusammen und rückte von mir ab. Stand abrupt auf. Sein Stuhl kippte um.
„Ich glaube, DU spinnst!“, schrie er zurück und stampfte Richtung Klo.
Ich griff nach dem Handy. Juls Anruf in Abwesenheit. Und wieder läutete es.